Autoren der Gedenkstätten Hohenschönhausen & Potsdam

 Gilbert Furian

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Mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Gedenkstätte Hohenschönhausen

Gilbert Furian wurde 1945 in Görlitz geboren. Nach dem Abitur an der Erweiterten Oberschule fällt ein Dolmetscherstudium trotz sprachlicher Begabung ins Wasser, weil er wegen Mitgliedschaft in der Jungen Gemeinde aus der FDJ ausgeschlossen wird. Stattdessen lernt er Verkehrskaufmann. 1982 interviewt er (neben seiner Tätigkeit als Sachbearbeiter für Versicherungen und Inventuren) Ostberliner Punks. 1984 Geburt einer außerehelichen Tochter. Wegen des Versuchs, das Punk-Material auch Freunden im Westen zukommen zu lassen, wird er 1985 zu zwei Jahren und zwei Monaten Freiheitsentzug verurteilt. Ab 1989 befragt er politische Häftlinge und deren ehemalige Verfolger. Später Hausmann, seine Frau ist Superintendentin eines Evangelischen Kirchenkreises. Die beiden Söhne werden 1989 und 1993 geboren. Seit 1997 führt er Besucher durch die Untersuchungshaftanstalt des MfS in Berlin-Hohenschönhausen.

 

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Brief des Bundespräsidenten


 Sigrid Paul

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 Titelfoto: Mauer durchs Herz (Gedenkstätte Hohenschönhausen)

Sigrid Paul ist am 18. Juni 2011 gestorben. Sie wurde 77 Jahre alt. Mit ihrem Buch „Mauer durchs Herz“ hat sie ein Stück selbst erlebter deutscher Geschichte von 1945 bis 1989 beschrieben: die für sie besonders schwere Nachkriegszeit, den Mauerbau, der für die Familie zum Schicksal wurde und den Mauerfall als Glück für die Familie und Millionen andere. In seiner Trauerrede sagte der langjährige Freund der Familie, der Medizinprofessor Burkhard Schneeweiß:

„Die Mauer durchs Herz wurde zum Schicksal von Mutter und Sohn Torsten. Gewaltsame Trennung von Mutter und Kind in den ersten Lebensjahren, unverdiente Verhaftung, monatelange Inhaftierung – all das hat Sigrid Paul durchlitten. Aber sie resignierte nicht. Im Gegenteil: Sie setzte sich innerlich und äußerlich zur Wehr und entwickelte einen kämpferischen Lebenswillen für ihre Kinder. Angesichts zahlloser selbst erfahrener Ungerechtigkeiten erwarb sie ein untrügliches Gerechtigkeitsempfinden, das sie fortan auf allen Ebenen, privat und gesellschaftlich, verbreitete. In ihrem Buch hat Sigrid Paul ihren Lebens und Leidensweg ergreifend beschrieben. Bei ihren Führungen durch das Stasi- Gefängnis in Hohenschönhausen hat sie anhand ihres eigenen Beispiels alten und jungen Besuchern den Weg zu einem besseren Miteinander gewiesen.“

„Wer das Titelbild von Sigrid Paul … betrachtet, wie sie voll Liebe ihren erwachsenen Sohn Torsten umarmt, der weiß, sie haben sie nicht gebrochen, aber eine unaussprechliche Traurigkeit in ihr Herz gesenkt.“ Gregor Eisenhauer, Nachruf, Tagesspiegel, 14.07.2011


 Dieter Drewitz

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 Foto: RRENOIR DESIGN Rudi-Renoir Appoldt

Anfang 1990, kurz nach dem Mauerfall, kam ein … Erlebnis hinzu, das mich bis heute beeinflusst. Ich las in der Zeitung, dass „meine” Potsdamer Stasi-U-Haftanstalt inzwischen leer stand und der Öffentlichkeit zur Besichtigung freigegeben wurde. Das wollte ich mir ansehen. Am 17. Februar war es soweit. Ich fuhr nach Potsdam zum „Tag der offenen Stasitür”. In der Otto- Nuschke-Straße 54/55 (der heutigen Lindenstraße) stellte ich mich geduldig ans Ende einer etwa 100 Meter langen Besucherschlange, die sich vor dem Eingang gebildet hatte.

… Als ich nun das Haus betrat und mir derselbe Geruch entgegenschlug wie vor zwei Jahrzehnten, schwappte urplötzlich eine Welle von Emotionen über mich hinweg. Darauf war ich nicht vorbereitet. Ohne dass ich mich dagegen wehren konnte, schossen die Tränen aus mir heraus. Ich heulte und heulte, konnte gar nicht mehr aufhören. Einige Besucher kümmerten sich rührend um mich, obwohl sie gar nicht wussten, was geschehen war, warum ich weinte. Ich erinnerte mich daran, dass es mir bei meinem damaligen Aufenthalt nie gelungen war, zu weinen, obwohl ich mir das damals so sehr gewünscht hatte. Nun, nach 23 Jahren brach endlich alles heraus, was offenbar so lange Zeit verschüttet war. (Auszug aus dem Buch Kennwort Alpenveilchen)

Dieter Drewitz führte viele Jahre Besuchergruppen durch die Gedenkstätten in Potsdam und Berlin-Hohenschönhausen. „Und jetzt“, sagte er dazu, „kann ich ohne Tränen hindurchlaufen, weil ich weiß, dass endlich wir, die ehemaligen Opfer, die Schlüsselgewalt über die Stasigefängnisse haben.

Dieter Drewitz ist am 10. Juni 2018 gestorben. Er wurde 74 Jahre alt.